Preview am Sonntag (14)

Immer sonntags stellen wir einen Auszug aus einem Roman online, der noch nicht erschienen ist. Wir weisen darauf hin, dass die Auszüge aus Manuskripten stammen, die unter Umständen noch nicht im Lektorat und auch noch nicht vorbestellbar sind. Heute: der Auftakt aus »Sterne in Asche« von Uwe Post. Der Roman erscheint im Oktober als Hardcover, Paperback und eBook.

Die Sonne von Raptuul verblasste.

Ein einsamer Papierfisch verendete in einem Tümpel, der schon lange vergeblich auf frisches Wasser aus den Weißen Bergen wartete. Niemand scherte sich um die letzten Zuckungen des eigentümlichen Tieres. Seine gefürchtetsten Fressfeinde, die himmelblauen Pelzreiher, waren längst weitergezogen, um ihren Hunger anderswo zu stillen.

Das Klima von Raptuul veränderte sich. Tiere und Pflanzen starben aus, andere nutzten die entstehenden Lücken im ökologischen Miteinander, zum Beispiel die Grünegel und die winzigen Nagefrösche. Aber auch ihr Eroberungszug würde eine Episode bleiben.

Das kosmische Urteil über den Planeten war gesprochen: im Stich gelassen von der schrumpfenden habitablen Zone. Entzug der Lebensbedingungen. Klimawandel. Kosmische Kälte.

Ein Todesurteil.

Bescheidene Wellen befeuchteten schüchtern eine künstliche Insel im heutzutage flachen See. Darauf ruhte der massive Fuß eines schlanken Turms, dessen Spitze den blassgrauen Himmel zu kitzeln schien.

Vielstimmiges Flüstern geisterte sporadisch über die sandigen Stufen aufwärts, Opfer des Kamineffekts und trocken wie der Staub, dem der gleiche Weg bestimmt war.

Die Spiralsäule der Heiligen bohrte ein Loch aus Glauben in die Wolken von Raptuul und wartete auf den Propheten des Untergangs.

* * *

Du reißt dein Robofoil herum. Beschleunigst. Rast mit 300 Sachen dem Gegner hinterher. Kitzelst alles aus der Maschine raus. Gleich holst du ihn ein!

Aber das weiß auch er. Im allerletzten Moment feuert er den Plasmaball. Dein Fangfeld geht ins Leere, die Kugel ist schon unterwegs Richtung Tor.

Aber sie landet nicht darin. Der Aufschrei des Publikums ist so laut, dass er deinen eigenen Ruf übertönt.

»Daneben!«

Als neue Euphorie dich erfasst, heult dein Robofoil schon längst Richtung Ball. Der Gegner hat noch den Nachteil des Rückstoßes vom Schuss. Er ist weit hinter dir. Er weiß, dass er den Ball nicht vor dir erreichen und aufnehmen kann. Aus diesem Grund erwartet er dich in der Mitte des Spielfeldes.

Dein Robofoil erreicht den Plasmaball, das Fangfeld hält ihn fest. Wieder reißt du dein Gefährt herum. Beschleunigst in Richtung der anderen Seite des Spielfelds. Näherst dich dem Gegner, der dich erwartet. Das Publikum hält den Atem an.

Du nicht. Du bist die Ruhe selbst. Dein Hirndoping wirkt. Gut, dass du dir als mehrfacher Ballblazing-Champion die besten Mittel leisten kannst: Szarenum und Nano-Crisp. Dein Gegner kennt beides nur dem Namen nach. Er weiß nicht, was das Zeug mit dir macht. Ahnt nicht, was du gleich mit ihm machen wirst.

Du wirst langsamer. Näherst dich mit unter 100 Sachen. Lässt das Robofoil schlingern, seitlich ausweichen, und wieder zurück. Dein Gegner hält die Position. Zwischen dir und seinem Tor. Er fährt sehr langsam rückwärts, behält dich genau im Auge. Es wird ihm nichts nützen.

Du musst nicht auf das Display schauen, um zu wissen, dass die Spielzeit beinahe abgelaufen ist. Deine innere Uhr weiß das ganz genau. Ein Treffer und dein Gegner wird nicht mehr die Zeit haben auszugleichen. Und du kannst als Sieger diesen Provinzplaneten verlassen.

Weit hinten kommt das golden leuchtende Tor ins Blickfeld. Es wird Zeit für dein Manöver.

Du lehnst dich zur Seite, ziehst das Robofoil plötzlich nach links. Wartest auf den Moment, in dem dein Gegner deiner Bewegung folgt und Tempo aufnimmt, um dir den Ball zu stiebitzen.

Jetzt.
Du wirfst dich hinüber, sodass das Robofoil in Schieflage gerät, fast durch das Magnetfeld den Boden der Arena streift. Das wäre gefährlich, das System der Arena lässt es nicht zu, verstärkt lokal die Feldstärke. Es schleudert dich zurück. Diesen Schwung nimmst du mit, er wirft dich nach rechts, gleichzeitig beschleunigst du maximal. Vorbei am Gegner, der nicht schnell genug reagieren kann, obwohl er dein Manöver sicher ungezählte Male im OMNI gesehen hat und seine eigene Reaktion trainiert hat bis zum Umfallen.

Du bist auf dem Weg zum Tor und nichts kann dich jetzt noch daran hindern, in Führung zu gehen. Nichts bis auf das Tor, denn das wandert am Ende des Spielfeldes hin und her. Und es ist jetzt nicht da, wo du es erwartet hast. Du musst bremsen, zur Seite schwenken. Du hast das Tor vor deinem Manöver kurz gesehen und du hast registriert, dass es unterwegs nach rechts war. Aber du hast dich anscheinend geirrt, sonst wäre es jetzt hier, direkt vor dir.
Angestrengt schielst du nach links. Da kommt das Tor tatsächlich in Sicht. Hinter deinem Rücken brummt schon das Robofoil des Gegners. Er wird dich gleich überholen, den Ball fortschießen, bevor du zum Schuss kommst. Gleichzeitig tickt die Zeit. Du müsstest dich zurückfallen lassen, einen neuen Anlauf nehmen, aber das wirst du nicht mehr schaffen.

Da piept schon der erste der fünf Schlusstöne. Der zweite, in höherer Frequenz. Das Tor ist zu weit weg, der Gegner fast um dich herum.

Der dritte Schlusston ist der Moment, in dem du aufgibst. Du schießt den Ball gegen die Wand, lässt ihn an dir vorbei ins Nirgendwo prallen. Beim vierten Schlusston holst du Luft, beim letzten lässt du sie entweichen.

Das Spiel ist aus.

Unentschieden.

Du schwebst unter dem Raunen des Publikums vom Spielfeld der Arena dieses vermaledeiten Provinzplaneten. Die gute Nachricht ist: Du kannst ihn bald verlassen. Die schlechte: Du gehst mit leeren Händen. Ein Unentschieden auf Ollrok zählt nicht viel in der Ballblazing-Meisterschaft. Der Empfang zu Hause wird kühl sein. Aber das wird an dir abperlen, denn auch dafür hast du die passenden Mittelchen. Schließlich bist du trotz dieses Rückschlags immer noch ein Star. Ketz Daleer Alak, einer der berühmtesten Ballblazing-Spieler.

Es wird Zeit, in deinen Körper zurückzukehren. Während des Spiels musst du dich zurückziehen, den Instinkten des Fleischs vertrauen. Du bist zwar dabei, aber nicht innen drin. Du würdest nur stören, wenn deine Finger die Robofoilkontrollen, an denen sie festgeschraubt sind, in einer Präzision bewegen, um die dich deine Konkurrenz beneidet. Dein Denken muss von deinem Ich getrennt sein. Du musst mit dir sprechen, als wärst du ein anderer. Selbstgespräche führen, um dir selbst zu erklären, was du da tust.

Bis jetzt.

*

Dann wartete Ketz Daleer Alak geduldig darauf, dass die zerkratzte Plexiglaskuppel des Robofoil nach oben weggeklappt wurde. Die Servos lösten die Schrauben von seinen Fingern und er zog die Hände aus den Kontrollschaltungen. Legte sie auf die Kante des Gefährts und schwang sich hinaus.

Zwei Schritte weiter warteten schon die Journalisten mit ihren fliegenden Augen, um seine Antworten auf ihre sinnlosen Fragen ins OMNI zu übertragen. Jeder Zuschauer auf jedem Planeten des Rats sollte zu verstehen glauben, warum Ketz kein Sieg gelungen war, jetzt und für immer, bis zum Ende des Kosmos. Oder zumindest bis zum Ende der Zivilisation.

Und das würde ja bekanntlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.